Von Wahlarithmetik, Wählerwillen und der Wahl 2014
Die CSU hatte neun Sitze im Gemeinderat, die Freien Wähler drei. Nach dem Übertritt von Birgit und Emil Köbele von der CSU zu den Parteifreien kalkulierten beide Gruppierungen diese beiden Mandate für sich ein, so dass ihre Rechnung für die Wahlen lautete: neun plus drei ist gleich 14. Am Wahlsonntag allerdings wurde aus neun plus drei stattdessen zehn. CSU und Freie Wähler hatten einen Richtungswahlkampf aus dem Urnengang vom 2. März gemacht - und diese Richtung ist vom Wähler deutlich vorgegeben worden. Folgt man der Theorie der beiden Gruppierungen von der Lagerbildung im Gemeinderat, dann hat der Wähler aus dem 13:12 zwischen SPD/Grünen/FDP einerseits und CSU/Freien andererseits ein 15:10 gemacht.
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Die CSU hat sich nun bei der vierten Gemeinderatswahl in Folge gegenüber ihrem vorigen Ergebnis verschlechtert. Zuletzt nahmen dreimal die Stimmenzahlen ab, aber die Sitzzahl hielt, diesmal purzelten auch noch zwei Sitze. Die Freien Wähler hatten vor sechs Jahren fusioniert, um stärker zu werden, diesmal zwei CSU-Überläufer aufgenommen, um stärker zu werden - und gewählt werden weiterhin nur ihre populären Zugpferde, die Gruppierung selbst findet faktisch nicht statt. Was all diese Ergebnisse und Tendenzen bedeuten? Die Stellungnahmen von CSU und Parteifreien noch am Wahlabend haben es klar analysiert: der Wähler begreift einfach nicht, was gut für ihn ist. Ob die beiden Gruppierungen mal den Gedanken erwägen sollten, ob sie nur nicht begreifen, was der Wähler will?
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Natürlich haben Bürgermeisterin Ziegler und die SPD viel versäumt, wenn man den Wert von Gemeindepolitik nur an der Quadratmeterzahl der Gewerbegebiete bemisst. Und natürlich herrschten zwölf Jahre Stillstand, wenn als Messlatte die Fortschritte bei einer Straßenunterführung der B 471 angelegt werden. Doch mittlerweile zeigt das dritte Wahlergebnis in Folge, dass eine deutliche Mehrheit der Oberschleißheimer diese Grundvorgaben von CSU oder Freien Wählern eben nicht teilt. Es gibt noch andere Werte von Ortspolitik, die Ziegler, die SPD, Grüne und FDP nach Ansicht einer Mehrheit von Oberschleißheimern offenbar ausreichend gut bedienen - und dem Wahlergebnis nach jedenfalls besser als CSU und Parteifreie. Und es gibt eben offensichtlich Oberschleißheimer, die eine Unterführung der B 471, einen Verkehrskreisel in Mittenheim oder mehr Gewerbe am Bruckmannring nicht für das zentrale Thema ihres Lebens am Ort halten.
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Nur drei der 24 amtierenden Gemeinderäte haben sich am 2. März nicht zur Wiederwahl gestellt - doch fünf weitere schafften die Rückkehr ins Rathaus nicht. Damit wurde ein Drittel des Gremiums erneuert, ein durchaus beachtlicher Schnitt. Mit Sebastian Riedelbauch, Terezia Toth und Peter Lebmeir sind drei richtig junge Kandidaten ins Rathaus eingezogen, die nun Florian Spirkl und Gisela Kranz etwas beim Drücken des Altersschnitts helfen können.
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Personalia werden im Vorfeld der konstituierenden Sitzung wohl nicht das große Thema sein. Dass die SPD den Zweiten Bürgermeister stellt, dürfte ihr wohl niemand ernsthaft streitig machen, und dass Grüne oder FDP mit je zwei Sitzen nicht unbedingt das große Anrecht haben, für eine Zustimmung zum SPD-Kandidaten auch ein Zuckerl zu fordern, hat sich schon vor sechs und zwei Jahren bei den jeweiligen Wahlen gezeigt. Wenn Erich Elsner wieder will, wird er es wieder, davon ist auszugehen, wenn die SPD andere strategische Pläne hat, werden auch die umgesetzt.
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Denn eins will ja wohlüberlegt sein bei den Genossen: die nächsten sechs Jahre sind definitiv die letzten Amtsjahre von Elisabeth Ziegler. Außerhalb des Rathauses ist nach dieser Überdosis Wahl derzeit nichts weniger interessant als eine Nachfolgedebatte für 2014, aber für eine Partei wäre es grob fahrlässig, nicht schon jetzt Strategien für die Nachfolge anzudenken. Bei der CSU ist Thomas Guldenkirch nun bestens in Position gebracht, mindestens beim Fraktionsvorsitz wird die Partei ihren Hoffnungsträger auch auf die nötige Plattform für die Alltagsarbeit hieven. Die SPD muss einen potentiellen Nachfolger für Ziegler erstmal aufbauen, wie das im Fachjargon heißt.
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Ungeachtet aller Programme, Inhalte, Wahlparolen und Personen - einen Gemeinderatssitz hat die FDP einfach dadurch gewonnen, dass sie einen kollegialen Umgang im Gemeinderat pflegt. Die formale Listenverbindung zwischen FDP und den Grünen hat die wahlarithmetischen Benachteiligungen kleinerer Parteien durch das Umrechnungsverfahren von Stimmenzahlen in Sitze ausgeglichen und so der FDP mit 'überschüssigen' Stimmen der Grünen einen Sitz beschert, der ohne Listenverbindung an die CSU gefallen wäre. So aber haben sich die beiden Parteien gerne geholfen, weil sie üblicherweise im Umgang miteinander die verbindenden Ziele über die gegensätzlichen Interessen stellen. Ob das wer als Omen für die neue Amtsperiode im Gemeinderat sehen mag...?
(Alles über die Kommunalwahl 2008 steht ansonsten hier.)
04.03.2008 | Ihre Meinung dazu... | nach oben | zurück