...mit Casimir Katz (FDP) und Markus Büchler (Grüne)
Der Wahl-Chat mit Dr.Casimir Katz, dem Ortsvorsitzenden der FDP, und Markus Büchler, Ortsverbandssprecher der Grünen; beide Gruppierungen kandidieren für den Gemeinderat, stellen aber keinen Bürgermeisterkandidaten. Beide haben im aktuellen Gremium je einen Sitz.
Grüß Gott Herr Dr.Katz, Herr Büchler,
wie geht´s Ihrem Wahlkampf bisher? Es ist ja doch alles ziemlich auf die Bürgermeisterentscheidung fixiert - und Ihre beide Gruppierungen stellen keine Bürgermeisterkandidaten.
Büchler: Ja, das stimmt, die Bürgermeisterwahl genießt viel Aufmerksamkeit. Dennoch stehen aber auch hier politische Themen im Zentrum, zu denen alle Parteien Beträge liefern, nicht nur die Bürgermeisterkandidaten.
Katz: Wahlkampf ist sicher übertrieben, erst seit der Diskussion letzten Mittwoch scheinen die Bürger in Schleissheim realisiert zu haben, dass es Wahlen gibt.
Wir sind Realisten. Ein Bürgermeisterkandidat wäre eher chancenlos. Eine Frage ist sicher, welche Bedeutung hat der Bürgermeister und welche der Gemeinderat. Der Bürgermeister ist sicher der aktivere, schliesslich ist er hauptamtlich tätig. Aber Farbe und Kreativität kommt durch unterschiedliche Meinungen im Gemeinderat.
Aber können oder konnten Sie sich überhaupt Gehör verschaffen ohne Bürgermeisterkandidat? Sie, Herr Katz, haben z.B. 2002 in ähnlich aussichtsloser Lage kandidiert, um mehr wahrgenommen zu werden, die Grünen hatten auch einen Bewerber. Muss dieses - zweifellos sinnlose - Spielchen sein, um wahrgenommen zu werden? Fühlen Sie sich ausreichend gehört im Wahlkampf?
Büchler: nun ja, vom Kampf habe ich in diesem Wahlkampf glücklicherweise noch nicht viel gemerkt, da stimme ich zu, aber viel Arbeit ist es schon. Die Grünen in Oberschleißheim haben in den letzten Monaten eine Reihe von Veranstaltungen organisiert, intensiv plakatiert, Werbematerial gedruckt, Infostände bestritten usw. Da das alles ehrenamtlich organisiert ist, ist das ein Haufen Arbeit für die Aktiven. Der Sinn des Ganzen besteht für uns Grüne in dem Ziel, unsere Mandatszahl von eins auf zwei zu verdoppeln. Ich bin der Ansicht, dass eben nicht nur der Bürgermeister das politische Gemeindeleben gestaltet, sondern mindestens genauso der 24-köpfige Gemeinderat. In diesem möchten wir stärker als bisher vertreten sein.
Katz: 2002 waren wir davon ausgegangen, dass es nötig wäre. Beide Kandidaten hatten knapp über 100 Stimmen. Da kann man draus lernen. Ausreichend gehört fühlen wir uns natürlich in keinster Weise. Mein Ideal wäre dass jeder Bürger bevor er wählt, einmal eine Gemeinderatssitzung in voller Länge miterlebt. Ich bin es gewohnt Sachentscheidungen zu treffen.
Zumindest von CSU und Freien Wählern werden Sie ja kaum als eigenständige Parteien wahrgenommen... Dort gilt die Theorie von der 'Ampelkoalition' im Rathaus. Verstehen Sie sich - ohne eigenen Bürgermeisterbewerber - auch als Mehrheitsbeschaffer für Bürgermeisterin Ziegler (SPD)? Sehen Sie sich, SPD, FDP, Grüne, als 'Koalition', so dass der 'Lagerwahlkampf' von CSU und FW seine Berechtigung hat?
Katz: So ein quark. Wir reden natürlich mit allen Leuten. Im Gemeinderat als Kollegialorgan gibt es keine Regierung und keine Opposition und schon gar keine Koalition. Wir entscheiden nach Sachlage. Die CSU sieht es aber wohl als Majestätsbeleidigung an, dass sie nicht die Mehrheit hat (scheint ja sonst ein Grundgesetz in Bayern zu sein) und ist dann auch gerne mal aggressiv.
Büchler: Sicherlich haben in den vergangenen sechs Jahren Rote, Grüne und Liberale viele Entscheidungen gemeinsam getragen. Die Meinungen zu Sachthemen lagen oft nicht so weit auseinander, die jeweiligen Gemeinderäte verstehen sich so weit ich weiß untereinander recht gut. Aber das liegt nicht an einer Art 'Koalitionszwang'. Ich bin der Überzeugung, dass im Gemeinderat jeder mit jedem reden und jeder mit jedem einer Abstimmen können sollte - unabhängig von der Partei. Den parteipolitischen Grabenkampf, der sich zwischen CSU/FW und der SPD abgespielt hat, finde ich beschämend und lächerlich. Keine Wählerin und kein Wähler interessiert sich für Parteiengezänk in Oberschleißheim. Man erwartet sachorientierte Entscheidungen. Glücklicherweise kann ich bislang keinen 'Lagerwahlkampf' erkennen, außer der fantasielosen und primitiv-polemischen These vom 'Stillstand' den CSU und FW gleichermaßen dem Rathaus unterstellen. Weder Grüne noch FDP haben sich in der Vergangenheit an den parteipolitischen Grabenkämpfen beteiligt. Möglicherweise war das einer der Gründe, warum unsere beiden Räte so gut zusammen gearbeitet haben.
Aber ziemlich häufig zeigen Sie gemeinsames Abstimmungsverhalten, wie Sie, Herr Büchler, ja auch sagen. Was ist denn jeweils Ihr eigenes Charakteristikum, wofür steht die FDP im Gemeinderat, wofür die Grünen?
Katz: Die FDP steht primär für Selbstverantwortung und Marktwirtschaft. D.h. wir wollen dem Bürger Vorteile verschaffen wenn er sich so verhält wie es für die Allgemeinheit gut ist. Dazu gehört z.B. Umweltschutz, Bildung, Soziale Verantwortung. Verbote oder Grenzwerte sind immer nur der letzte Ausweg. Genaueres findet man auf www.fdp-oberschleissheim.de.
Büchler: Die Grünen treten an mit gleichermaßen sozialen und ökologischen Zielen. Wir wollen in der Gemeinde das Miteinander, das Zusammengehörigkeitsgefühl unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen wie alt und jung, deutsch und zugewandert stärken. Kinder und Jugendliche sind uns besonders wichtig. Deshalb treten wir zum Beispiel ein für einen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen aber auch des Angebots des Kreisjugendrings. In ökologischer Hinsicht möchten wir der globalen Verantwortung der Gemeinde im Zeichen des Klimawandels gerecht werden. Dafür wollen wir z.B. die vielen Möglichkeiten der Gemeinde ausnutzen: Energiesparförderprogramm, Energieberatung, Sanierung der kommunalen Liegenschaften u.v.a.m. Ein dritter Punkt zeichnet die Grünen aus: wir treten - anders als die anderen Parteien - ein für ein Verkehrskonzept, das unseren Ort von Durchgangsverkehr befreit. Das populistische Geschrei der Freien Wähler nach einem Straßentunnel ist genauso kontraproduktiv wie die westliche Ortsumgehung. Beides bringt unserem Ort insgesamt mehr Verkehr und mehr Lärm.
Es fällt ja völlig aus dem politischen Schema, wie gut sich gerade Grüne und FDP in Oberschleißheim verstehen, was Sie Herr Büchler auch angesprochen haben, und was ja auf Landes- und Bundesebene nicht unbedingt so ist. Führt das nicht die gerade in Oberschleißheim so betonte parteipolitische Fixierung auf kommunaler Ebene etwas ad absurdum? Braucht man in einer Gemeinde wirklich 'schwarze' Fußballplätze oder 'rote' Radlwege?
Büchler: So wie die Zusammenarbeit zwischen den Räten der FDP und der Grünen in Oberschleißheim ist, so könnte sie vorbildhaft auch zwischen den anderen Räten sein, finde ich. Gleichberechtigt, fair und sachbezogen. Hat eine Seite einen Vorschlag, wird darüber gesprochen. Findet man Zustimmung, bringt man die Sache gemeinsam vor, wenn nicht, dann nicht. Ohne Geschrei, ohne Gezeter. Deshalb kann man hinsichtlich bundespolitischer Überlegungen sehr wohl konträrer Ansicht sein. Sehe ich mir die Programme unserer Bundesparteien an, liegen unsere beiden Parteien unendlich weit auseinander. Aber was kümmert uns das in Oberschleißheim? Wir entscheiden hier nicht über Hartz4 sondern über eine Streetworkerstelle für den Kreisjugendring um ein Beispiel zu nennen. Warum sollten wir da nicht einer Meinung sein dürfen?
Katz: Wenn man die Politik in Gemeinderäten betrachtet, wird man immer wieder Situationen entdecken, dass erst ein Antrag von der SPD abgelehnt wird, anschliessend wortgleich der Antrag von der CSU kommt und angenommen wird (oder anders herum). Das sind die Beispiele wo sich Parteipolitik als sinnlos entlarvt. Die Grünen haben in den letzten 25 Jahren viele Wähler gewonnen, die früher FDP gewählt haben. Umweltpolitik wurde von der FDP 1971 in den Freiburger Thesen erstmalig formuliert. Viele FDP-Wähler fanden Joschka Fischer einen hervorragenden Aussenminister. W-D. Großer ist einer der aktivsten Umweltpolitiker der FDP gewesen. Wenn man sich auf Verantwortung für sich selbst und andere konzentriert sind die Parteien gar nicht weit auseinander.
Katz: Gerade bei der Westumgehung gibt es aber einen fundamentalen Dissens zwischen FDP und den Grünen. Wir wollen eine Vekehrsberuhigung im Ort und dafür ist eine Umgehung mit Erschließung von aussen die optimale Lösung. Das gibt keinen zusätzlichen Lärm oder Abgase, im Gegenteil!
Ein 19jähriger Neu-Wähler fragt im Chat an, warum er 'als Erstwähler ausgerechnet Sie wählen' soll.
Katz: Liberal sein, bedeutet auch Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Bei den Engländern gibt es 'liberty' und 'freedom' die genau die zwei Seiten der 'Freiheit' beschreiben. Die Liberalität ist nicht der älteren Generation vorbehalten, aber wenn man die Liberalen stärkt, wird man eher die Gelegenheit haben, selbst einmal so handeln zu können. Ansonsten kann man das Prinzip der 'Aufklärung' am besten in einem persönlichen Gespräch vertiefen.
Büchler: Weil wir kreative, junge Leute und ein gutes Programm haben (www.gruene-ml.de/oberschleissheim), das nicht auf populistisches Geschrei setzt, sondern auf konkrete, machbare Dinge. Ich hoffe, dass sich bei dieser Wahl nicht diejenigen durchsetzen, die das Blaue vom Himmel versprechen. Manches, das im ersten Moment gut klingt stellt sich bei näherer Betrachtung als Schaden für Oberschleißheim heraus: ein Beispiel dafür ist das lautstarke, aggressive Auftreten der Freien Wähler mit ihrer Forderung nach einer Untertunnelung der Bahn statt der Schranke. Wenn die Schranke weg ist, ersäuft der Ort endgültig im Verkehr. Deshalb hoffe ich, dass der Erstwähler genau hinsieht und den Unterschied zwischen Getöse und leiserem, aber seriösem Konzept erkennt.
Herr Dr.Katz, Sie müssen uns schnell noch die Kandidatur von Herrn Großer auf Listenplatz 17 erklären. Will er wieder rein in den Gemeinderat nach seinem Rücktritt? Will er Stimmen sammeln? Was muss der Wähler davon halten?
Katz: Herr Großer war fast 40 Jahre Mitglied des Gemeinderats. Er unterstützt die Ideen der FDP, er möchte seine Solidarität mit den Kandidaten zeigen, aber er muss nicht unbedingt wieder in den Gemeinderat einziehen. Es sei denn wir gewinnen mehr als zwei Sitze....
So, zurück zum Anfang: Sie haben beide keinen Bürgermeisterkandidaten - haben Sie einen Favoriten für die Bürgermeisterwahl?
Büchler: Ich persönlich habe schon per Briefwahl gewählt und habe mich insofern entschieden. Die Grünen geben keine offizielle Wahlempfehlung. Viele von uns sehen unter den Kandidaten zwei Personen, die wir aus unserer Sicht für einigermaßen akzeptabel halten. Ich nehme an, dass viele unserer Anhänger ihre Prioritäten so setzen, wie ich es in meinen Ausführungen schon weiter oben angedeutet habe.
Katz: Favoriten gibts beim Pferderennen auf die man wetten kann. Meine persönliche Entscheidung richtet sich danach ob der Kandidat bzw. die Kandidatin in der Lage ist, sachbezogene Arbeit zu leisten. Dem öffentlichen Wahlkampfgetöse schenke ich da eher keine Beachtung. Die Sitzverteilung im Gemeinderat ist wichtiger!
Was soll ich morgen, 13 Uhr, Herrn Köbele von Ihnen fragen?
Katz: Wie können Sie sich als jemand der sich jahrelang für die BIT eingesetzt hat, so schnell Ihre Meinung wechseln und für eine völlig verstaubte, unsinnige Strassenunterführung sein, die kein einziges Problem löst aber viele neue schafft ?
Büchler: Herrn Köbele? Tja bei der Frage muss ich, auch wenn ich mich bedauerlicherweise wiederhole, auf einen Punkt zurückkommen, den ich nun schon zweimal angesprochen habe. Es betrifft das Hauptwahlkampfthema der Freien Wähler, ich zitiere: '150 Jahre Schranke sind genug!'. Ich möchte von ihm wissen, mit welchen Maßnahmen er nach dem Bau des monströsen Unterführungsbauwerks verhindern will, dass die B471 zur Entlastungsstraße der A99 wird und Oberschleißheim im Dauerstau versinkt. Und wenn noch eine Zusatzfrage zulässig ist, dann fragen Sie ihn doch bitte auch noch, wie er den Megatunnel aus seiner privatene Tasche bezahlen will, oder woher er das Geld nehmen will.
Die weiteren Termine des Wahl-Chats der schleissheimer-zeitung.de stehen hier.
25.02.2008 | Ihre Meinung dazu... | nach oben | zurück