Heino Hanke, Kaiser Wilhelm und die 'Biene Maja'
„Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht!“ Die sogenannte „Hunnenrede“ des Deutschen Kaisers Wilhelm II. an die Soldaten des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps mit diesem Kernsatz wurde im Vorfeld und während des Ersten Weltkriegs zu einem der größten Propagandareißer der deutschen Kriegsgegner. Doch was hat Kaiser Wilhelm am 27. Juli 1900 wirklich gesagt?
Es gibt einen anschließend von seinen Diplomaten redigierten offiziellen Redetext, es gibt zeitgenössische Zeitungsberichte von Berichterstattern, die mitgehört und mitgeschrieben haben, es gibt partielle Erinnerungen von Zuhörern, die Stichworte schriftlich fixiert haben: alles sehr subjektiv, nach den jeweiligen Interessen frisiert und wissenschaftlich nur ansatzweise tauglich.
Doch diese Lücke der Geschichtswissenschaft kann nun geschlossen werden: von Kaiser Wilhelm selbst. Die Rede am 27. Juli in Bremerhaven wurde via Phonograph aufgezeichnet, sie ist in Gänze erhalten. Der kürzlich verstorbene Buchhändler Heino Hanke hatte dieses Unikat über Jahrzehnte auf seinem Lustheimer Speicher. Bei der Gestaltung des Jubiläums „Maja, die Biene aus Schleißheim“, in deren vor hundert Jahren entstandener Erstfassung Autor Waldemar Bonsels Anklänge an die „Hunnenrede“ verarbeitet hatte, wurde der Schatz gehoben.
Ein TV-Beitrag, der am Sonntag, 11. November, um 18:05 Uhr im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird, beleuchtet die kuriose Geschichte; in ihm ist auch Hanke nochmal zu sehen, der kurz nach den Filmaufnahmen überraschend verstarb.
Mitte der 70er Jahre hatte das Ehepaar Hanke in Düsseldorf eine alte Holztruhe von einer älteren Dame gekauft. Die Dame bot bei dem Handel auch noch einen alten Wachswalzenphonographen mit den dazugehörigen Walzen an, an denen Heino Hanke durchaus auch interessiert war. Nachdem er die Walzen einmal durchgehört hatte, verschwand der Phonograph im Keller und später, nach dem Umzug nach Lustheim, auf dem Speicher.
2012, das 100. Jubiläumsjahr der „Biene Maja“, wurde in ihrem Entstehungsort Oberschleißheim groß zelebriert, wobei Hanke entscheidende Anregungen und Impulse dazu gegeben hatte. In seiner intensiven Beschäftigung damit besuchte er einen Vortrag der Bonsels-Stiftung in der Monacensia in München, bei dem dann auch Bonsels spätere Nähe zum Nationalsozialismus und seine Anbiederung an den jeweiligen Zeitgeist zur Sprache kamen, etwa in Form der Zitierung der „Hunnenrede“ in der Hornissenschlacht der „Biene Maja“.
Hanke meldete sich zu Wort und meinte, das sei Unsinn. Er habe die „Hunnenrede“ als Tondokument zu Hause und jeder Interessierte könne sich die Rede bei ihm anhören. Wegen eines anschließenden Termins verließ er die Debatte unmittelbar nach dem Beitrag.
In der Runde hatte der Nebensatz jedoch eingeschlagen. Der Bayerische Rundfunk spürte den Diskussionsgast auf und signalisierte großes Interesse an der Wachswalze und ihrer Geschichte. Sehr schnell fand sich ein Kamerateam zu Dreharbeiten in Lustheim ein und anschließend wurde im Deutschen Museum mit diversen Spezialisten weiter gedreht.
Hanke begann nun zu realisieren, welchen Schatz er da barg. Die Walze wurde gut im Haus versteckt. Den weiteren Verlauf der Geschichte durfte er jedoch nicht mehr miterleben. Er verstarb unerwartet eine Woche später auf einer Reise. Für die Geschichte des Tondokuments bedeutete dies eine Kapriole: wo war die Walze versteckt? Ehefrau Friedel stellte das Haus auf den Kopf und fand letztendlich die gut versteckte Walze.
Ein Spezialist im Allgäu erstellte nun von der Wachswalze Audiodateien der Rede und das Kriminaltechnische Institut des Bayerischen Landeskriminalamts prüfte die Echtheit der Aufnahme. Bis zur Ausstrahlung der TV-Sendung am Sonntag hat sich niemand zu der Materie äußern wollen, aber offenbar spricht laut LKA mehr für die Echtheit der Aufnahme als dagegen. Hanke wird in der Aufzeichnung anzusehen sein, wie viel Spaß es ihm gemacht hat, diesen Coup zu präsentieren.
(hierzu ist ein Lesermail eingegangen)
08.11.2012 | Ihre Meinung dazu... | nach oben | zurück