Einst, im Mai...
Anfang Mai 1987 wurde ich Hermann Schmid vorgestellt. „Kumm“, forderte er mich auf, „i muass noch Minga, setz Di ins Auto, do kemma ratschn.“ So fuhr ich mit ihm in die Residenz, wo er uns ansagte: „Bürgermeister Schmid, Gemeinde Oberschleißheim, und das ist der Gemeinderat Bachhuber.“
Und ich erfuhr aus allererster Hand Details über die Restaurierung der mysteriösen „Ungarntafel“ aus der Kapelle Hochmutting, über die dann am 16. Mai eine kurze Notiz in der Landkreisausgabe München-Nord des „Münchner Merkur“ erschien; mein erster Zeitungsartikel über Oberschleißheim.
Tja, das sind jetzt auch schon 25 Jahre…
Meine erste Veranstaltung in Oberschleißheim, die ich als Berichterstatter für die Zeitung besuchte, war die Feier zum Goldenen Priesterjubiläum von Pfarrer Pongratz, und dabei zitierte ich die Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Peter Benthues und Georg Kalmer, mithin meine längsten Wegbegleiter. Die erste Sitzung des Gemeinderats schließlich erlebte ich am 2. Juni `87. Damals wurde gerade Michael Schulte-Langforth von den Grünen verabschiedet, zentrales Thema war das geplante Raumordnungsverfahren für das Luft- und Raumfahrtmuseum am Flugplatz. Und Bürgermeister Schmid berichtete erfreut, dass von der Obersten Baubehörde ein zügiges Verfahren für die geplante Ortsumgehung versprochen worden sei…
Wie viele Sitzungen werden es in den 25 Jahren gewesen sein? Nur Elisabeth Ziegler, damals bereits Gemeinderätin, und Karin Schulze haben seither mehr Sitzungsminuten gesammelt als ich, kein anderer aktueller Gemeinderat war damals schon aktiv, kein anderer Gemeinderat von damals ist heute noch dabei und auch kein Abteilungsleiter im Rathaus. (Damals, die Männerriege am Kopfende des Ratstisches, Bürgermeister Schmid, Hauptamtsleiter Hänfler, Kämmerer Ehrmann und Bauamtsleiter Stadler – Bart an Bart nebeneinander, aber jeder unterschiedlich gestaltet.)
Und ich bin immer noch der einzige, der in einer Gemeinderatssitzung schon ein Weißbier gezwitschert hat! (Danke an Peter Lemmen für den Gag.)
Es entstanden jugendfrisch wahrlich legendäre Berichte wie der zu Herzen gehende Artikel über das verletzte Eichhörnchen, das Bürgermeister Schmid, der Rundum-Kümmerer für alles und jeden am Ort, in die Tierklinik einliefern wollte – und just in dem Moment, als die rührende Szene fotografiert werden sollte, entwischte das Tier, so dass der Zeitungsbericht vom Bild eines Bürgermeisters illustriert wurde, wie er in den Tannenwipfel zeigt: dort ist das Tier versteckt, dass euer Bürgermeister beinahe…
Einmal, ein einziges Mal, hat ein Zeitungsartikel sogar was bewirkt, als ich nämlich aufgezeigt hatte, dass an der Amigonistraße an beiden Enden „Sackgasse“-Schilder aufgestellt waren und die nach dem Bericht tatsächlich entfernt wurden.
Als mal wieder Trennungsgerüchte der CSU von ihrer Bundesschwester CDU die politische Debatte bestimmten, hat sich einer Pressemitteilung der örtlichen CSU ihr rühriger Pressesprecher Benthues vertippt und mit „CDU Oberschleißheim“ gezeichnet, was von mir in einer Glosse im Zusammenhang der Seperationsgelüste karikiert wurde – nie werde ich Benthues’ Miene vergessen, als er mich bei der nächsten Begegnung ansprach: „Musste das sein…?“
Eine Zäsur ergab sich 1992. Im August erschien mein letzter Artikel im „Münchner Merkur“ und ich wechselte zur „Süddeutschen Zeitung“. Weil dort aber bereits eine andere Berichterstatterin am Ort etabliert war, berichtete ich für die Landkreisausgabe der "SZ" zunächst aus Unterschleißheim – ehe Kollegin Petra Behrend verzog und ich nach zwei Jahren Pause ab August 1994 wieder Oberschleißheim bearbeitete. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch. Und so blieb ich dann kleben…
In jene Zeit fiel mein größter journalistischer „Scoop“, als ich den völlig überraschenden Rücktritt von Bürgermeister Schmid, nur zwei Jahre nach seiner Wiederwahl, exklusiv im Blatt hatte, als selbst seine meisten Parteifreunde und Weggefährten noch nichts davon wussten und die Meldung für eine „Ente“ hielten. Schmid hat das einigermaßen gewurmt und er wollte partout wissen, wer mir denn diese Info „gesteckt“ hätte. Natürlich hab ich es nicht verraten; die Antwort übrigens wäre so kurios und unspektakulär, dass er mir sie eh nicht geglaubt hätte…
Bürgermeisterin Elisabeth Ziegler, 1996 ins Amt gewählt, hat nun seither das Vergnügen, ihre komplette Amtszeit hindurch in der „SZ“ ausschließlich von mir begleitet zu werden; ein Vergnügen übrigens, das sie möglicherweise nicht durchgängig als solches erlebt hat…
Was habe ich mir über die Jahre Ärger eingehandelt mit meinen Glossen und Kommentaren… und dabei brachten die auch nicht mehr Honorar als ein Bericht über’s Fußballspiel des FC Phönix…
Nun ist es das eine, als Edelfeder im Leitartikel einer überregionalen Zeitung die Bundeskanzlerin eine Flasche zu schimpfen; aber Frau Merkel trifft so einen Kommentatoren höchst selten tags darauf beim Bäcker. Der Lokaljournalist aber sitzt der Zielscheibe seiner Kritik spätestens nächsten Dienstag wieder in der Ratssitzung gegenüber, Auge in Auge, und muss da mindestens schiefe Blicke aushalten.
Die etwas exzentrischen Vorstellungen des Oberschleißheimer Immobilienmarktes haben es bislang verhindert, dass ich am Ort auch ansässig geworden wäre, aber 2004 habe ich dann endgültig Wurzeln geschlagen, indem ich die schleissheimer-zeitung.de eröffnet habe. Eine Lokalzeitung für ausschließlich einen Ort online – ich halte das übrigens heute noch für eine pfiffige Idee, die Oberschleißheim sehr vielen, sehr viel größeren und bedeutenderen Orten voraus hat. Mit einigem Stolz darf ich bilanzieren, dass die online-Zeitung als zentrales Oberschleißheimer Medium vollkommen akzeptiert und bei allen Vereinen, Parteien und Lesern schon als Grundversorgungsmittel angenommen ist. (Wobei ich mir andererseits auch wünschen würde, dass die schleissheimer-zeitung.de nicht als völlig alltäglich konsumiert, sondern schon noch als etwas Besonderes und Erhaltenswertes wahrgenommen würde – speziell von Anzeigenkunden und Abonnenten … hier übrigens geht's zum Sparschweinchen...)
Als Jungunternehmer am Ort habe ich mich dann selbstverständlich dem hiesigen Gewerbeverband angeschlossen; als Schriftführer, klar. Als endlich mal jemand die Initiative ergriff und den Ort für den Tourismus aufschloss, wurde ich auch hier in den Vereinsvorstand gewählt; als Schriftführer übrigens. Das neueste „Baby“ ist nun das „Schleißheimer Magazin“, das vierteljährlich Reportagen und Geschichten aus dem Ort und seiner Historie bringt.
Als große Ehre habe ich es empfunden, dass ich 2010 an der Oberschleißheimer Gemeindechronik mitwirken durfte. Die Arbeit in diesem Autorenkreis war ein echtes Erlebnis und hat großen Spaß gemacht – und das Ergebnis kann man auch durchaus herzeigen…
So, gefühlt habe ich über die Jahre nun jeden Oberschleißheimer Verein, jede Gruppierung, Bürgerinitiative, Malkreis, Hausaufgabenhilfe kennengelernt und darüber berichtet, über Jubiläen und Erfolge, Sorgen und Nöte, Schlaglöcher und Vorfahrtsprobleme, Meisterschaften und Gerichtsurteile, Edelmut und Kleinkrämerei. Bürgermeister könnt ich in Oberschleißheim jetzt allmählich auch machen…
In Berichten von mir über 25. Jubiläen folgt an dieser Stelle nun der Ausblick. Je nun… Wenn der Journalist nicht weiter weiß, zitiert er. Hier also ein abgewandelter Vers meines Lieblingsautors Erich Kästner:
Nun bin ich beinah 50 Jahre
und habe eine kleine Zeitungsfabrik.
Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare,
und meine Kollegen werden langsam dick.
Auch ich muss meinen Rucksack selber tragen.
Der Rucksack wächst. Der Rücken wird nicht breiter.
Zusammenfassend läßt sich etwa sagen:
25 Jahre Schleißheim, und ich schreibe trotzdem weiter...
(hierzu sind Lesermails eingegangen)
01.05.2012 | Ihre Meinung dazu... | nach oben | zurück